Der Treffer zum Sieg führte direkt in den Tod. Roberto Cardona hieß der Mann, der 1969 das Tor für Honduras im Spiel gegen El Salvador schoss – für eine Frau mit dem Namen Amelia Bolanios war das Grund genug, sich vor dem heimischen Fernseher zu erschießen. Sie konnte die Schmach nicht ertragen, berichtete die salvadorianische Zeitung „El Nacional“. Und so wurde Cardonas Treffer die Geburtsstunde einer Märtyrerin.
Unzählige Geschichten erzählen davon, dass Fußball für manche Männer Kriegsersatz ist. Doch nur einmal gab es eine Serie von Matches, die tatsächlich einen militärischen Konflikt provozierten – und das waren die drei Begegnungen zwischen Honduras und El Salvador in der Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko.
1:0 gewann Honduras zu Hause das erste Spiel, 3:0 siegte El Salvador im Rückspiel. Da die Tordifferenz noch nicht als Entscheidungshilfe galt, musste noch einmal auf neutralem Platz gespielt werden: Die Partie wurde am 27. Juni 1969 im Aztekenstadion von Mexiko-Stadt ausgetragen. Das entscheidende Tor zum 3:2 erzielte Mauricio „Pipo“ Rodríguez, der Rechtsaußen der Salvadorianer.
„Es war ein Hass zu spüren, der über die sportliche Rivalität hinausging“, erinnerte sich der Torschütze später. In Honduras hatten einheimische Hooligans über Stunden das Mannschaftsquartier der Salvadorianer belagert. Beim Rückspiel flogen Fäkalien und Ratten in die Hotelzimmer der Gäste. Nach dem Sieg El Salvadors brachen Prügeleien los, mehr als 100 Autos brannten, Dutzende Menschen wurden verletzt, mehrere Fußballfans starben.
„Die Spiele waren immer sauber und fair“, meinte Rodríguez. „Es gab keine Tritte über die sportlichen Fouls hinaus.“ Rodríguez sagte aber auch: „Wir hätten jedes Spiel verlieren können, nur das nicht.“
Die Reaktion auf den Rängen beim Entscheidungsmatch war entsprechend. Die 5000 Polizisten, die zur Sicherung des Aztekenstadions aufmarschiert waren, konnten die Ausschreitungen nach dem Schlusspfiff nicht verhindern. Fahnen brannten, Geschosse flogen, wieder starben Menschen.
Gute zwei Wochen später, am 14. Juli 1969, befahl El Salvadors Präsident Fidel Sánchez Hernández, der wie die meisten seiner Vorgänger aus der Generalität stammte, den Angriff auf Honduras. Er ließ ohne Kriegserklärung den Flughafen von Tegucigalpa bombardieren. Die Bodentruppen rückten in Honduras vor, dessen Armee den Vormarsch nicht aufhalten konnte.
Glaubt man dem polnischen Reporter Ryszard Kapuscinski, der über die Ereignisse ein Buch schrieb, hatte dieser Angriff allerdings nichts mit dem Sport zu tun, sondern mit der Einwanderungspolitik in Honduras. Nachdem circa 300.000 verarmte Salvadorianer im Lauf der 60er-Jahre ins Nachbarland geströmt waren, dort Ödland fruchtbar machten und eigene Orte gründeten, forderten die einheimischen Bauern, diesem Treiben ein Ende zu setzen.
Die honduranische Militärregierung handelte prompt: In einer Bodenreform nahm sie den Einwanderern das Land, 30 Tage hatten diese Zeit, das Land zu verlassen – diese Spanne war ausgerechnet der Monat, in dem die Fußballspiele stattfanden. Die Regierung in San Salvador behauptete deshalb, Honduras plane einen Völkermord und sei für Folter und Kastrationen an Salvadorianern verantwortlich.
Innerhalb der ersten 100 Stunden nach dem Angriff sollen mindestens 3000 Menschen getötet worden sein, andere Quellen sprechen von bis zu 6000 Toten, 15.000 Verletzten und 50.000 Ausgebombten. Doch siegen sollten die Truppen El Salvadors anders als auf dem Fußballplatz nicht: Nach sechs Tagen setzten die Organisation Amerikanischer Staaten und die UN einen Waffenstillstand durch.
Allerdings mussten alle ausländischen Soldaten und Tausende Einwanderer Honduras verlassen. Das wiederum hatte zur Folge, dass im überbevölkerten El Salvador das Elend wuchs. 1981 brach ein Bürgerkrieg los, der bis 1992 andauerte. Im diesem Jahr legten die Nachbarstaaten auch offiziell ihre Streitigkeiten bei, es dauerte allerdings bis 2006, dass sie die letzten offenen Fragen um ihre Grenzen klärten.
Für El Salvador lief es nach dem Krieg im Juli 1969 auch sportlich eher durchwachsen. Durch zwei Siege über Haiti erreichte das Team um Pepe Rodríguez zwar die Finalrunde in Mexiko 1970, schied dort aber ohne eigenen Torerfolg in der ersten Runde aus. Der Stürmerstar, der sein Land mit dem Siegtor gegen Honduras in Richtung WM geschossen hatte, sagte später trotzdem: „Ich würde alles noch mal so machen. Ich war doch Stürmer, das war doch meine Aufgabe.“
Die Qualifikation zur Fußball-Weltmeisterschaft 1982 in Spanien führte beide Teams wieder zusammen. Diesmal hieß es 0:0 und 2:0 für Honduras. Durch Punktegleichstand in der Gruppe durfte auch El Salvador nach Europa reisen. Dort kassierte die Mannschaft gegen Ungarn mit 1:10 die bis heute höchste Niederlage bei einer Fußball-WM. Honduras schied unglücklich in der Gruppe des Gastgebers aus dem Turnier aus.
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July 18, 2020 at 09:45AM
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Fußballkrieg 1969: Nach diesem Spiel zählte man bis zu 6000 Tote - WELT
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